Robert Muntean

Taumeln in die Unendlichkeit
von Thomas Mießgang

Just like Honey ll 2018, oil on paper, 40 × 35 cm

Robert Munteans Bilder sollen rocken - das ist seine erklärte Absicht. Und wie bringt man den Groove, den Sex, die Ekstase in die stille Welt der Malerei? Indem man Farberuptionen inszeniert, die auf der Leinwand explodieren. Zum Beispiel Just like Honey ll (2018): Rottöne zwischen Candy Apple, Crimson und Maroon verteilen sich in giftigen Flecken auf der Leinwand und werden, fast im Sinne einer visuellen Polyphonie, durch ein markantes Weiß kontrastiert. Dieses wiederum erweckt beinahe den Eindruck einer Plakatwand, von der, im Sinne des Prinzips Decollage, Papierfetzten abgerissen wurden. Natürlich gibt es auch noch andere Farbtöne: bräunliche, gelbe giftig-grüne, die sich so organisieren, dass der Eindruck eines ziemlich turbulenten koloristischen Spektakels entsteht.

Just like Honey - das bezieht sich, wie Popkenner wissen, auf einen berühmten Song von The Jesus and Mary Chain aus den 1980er Jahren. Man kann deshalb hinter all den Schichten und Abrieben des Gemäldes die von einer Fotografie abgezogenen Konturen der Brüder Jim und William Reid erkennen, die das Kreativzentrum der Band waren. Solche popkulturellen Referenzen sind Robert Muntean wichtig - einerseits. Andererseits will er nicht einfach ein optisches Korrelat zu den akustischen Hervorbringungen der Popszene schaffen. Es geht um eine Attitude, eine Haltung, die sich einer allzu leichten Konsumierbarkeit verweigert, die hermetisches, opakes Material zur Dechiffrierung für den Rezipienten anbietet. Und idealtypisch verkörpern diese Ästethik Robert Munteans Allzeithelden der New Yorker Avantgardeband Sonic Youth, deren künstlerischer Approach die Arbeit des Künstlers auf die unterschiedlichste Weise touchiert: “Mir geht es nicht darum, den Sound von Sonic Youth zu visualisieren”, sagt er im Interview, ”sondern um die Haltung, die dahintersteht: Dass es eine gewisse Art von Widerstand gibt. Das war es auch, was ich gespürt habe, als ich das erste Mal Sonic Youth hörte: Man musste die Musik mehrmals hören, um sich überhaupt irgendwie orientieren zu können. Wenn man es allerdings schaffte, diese akustische Firewall zu durchschlagen, ordnete sich vieles anders und neu. In meiner Malerei versuche ich ebenfalls, so ein Gefühl zu erzeugen: Eine Turbulenz und einen Widerstand, durch die der Betrachter aktiviert wird, anders zu schauen und das Bild vielleicht ein wenig mitzuerarbeiten. Nie aber ging es mir, und das muss ich wirklich betonen, darum, so etwas wie ‘Sonic Youth-Bilder’ zu malen.”

Neue Serie: “Because the Night”

Die neue Serie von Robert Muntean, von der ausgewählte Arbeiten in der Galerie.Z zu sehen sind, trägt den Titel Because the Night und spielt somit auf einen Songtitel von Patti Smith an: Die Werke, die in diesem Kontext entstanden sind, unterscheiden sich nicht fundamental von den Arbeiten der vergangenen Jahre, setzten aber die Schwerpunkte, sowohl, was die Farbgebung wie auch was das Verhältnis von Figuration und Abstraktion betrifft, manchmal ein wenig anders. Robert Muntean nimmt als Ausgangspunkt für seine Malerei oft Fotos, die er in einem kleinen Archiv gesammelt hat: Manchmal sind dies private Motive, manchmal Bilder aus Zeitungen und Zeitschriften. Oft sind darauf Pop- oder Filmstars zu sehen, die für eine gewisse elektrische Grundladung des Bildinhaltes sorgen, doch im Prinzip geht es nicht darum, sondern um eine Antriebsenergie, die einen künstlerischen Prozess in Gang setzt. Nicht selten ist ein bestimmtes Foto mehrfach Launchpad für eine ästhetische Appropriation, welche zu den unterschiedlichsten Farben und Formen führen kann.

Robert Muntean praktiziert eine Technik, die von der Kunsthistorikerin Oona Lochner folgendermaßen beschrieben wird: “Den weichen Flächen aus stark verdünnter Farbe stehen gezielte Farbsetzungen gegenüber, die Muntean mit dickem Pinsel, Spachtel oder direkt aus der Tube aufbringt und durch Eingriffe direkt auf die Leinwand erweitert, wenn er die noch feuchte Farbe stellenweise wegwischt oder mit einem Fensterabzieher harte Grate hinein zeichnet.”

So entstehen Konfigurationen, in denen die Silhouetten von nicht mehr erkennbaren Personen überlagert / überwuchert werden von Farbflecken und Linien, in denen sich Deutungsmuster und interpretative Annäherungen als koloristische Kataklysmen manifestieren. Wobei in einigen neueren Arbeiten wie No Wave Queen (Lydia Lunch) (2019) oder Untitled (The Jesus and Mary Chain) (2019) die Fotovorbilder plötzlich wieder klar zu erkennen sind und vor einem grau getönten respektive gelb-goldenen Hintergrund als Repräsentationen ihrer selbst und einer bestimmten popkulturellen Attitude markiert werden.

No Wave Queen 2019, oil on paper on canvas, 120 × 100 cm

Bezug zu den avantgardistischen Indierock-Produktionstechniken der achtziger und neunziger Jahre

Robert Muntean hat stehts betont, dass es ihm nicht um abstrakt-expressionistische Selbstausstülpung geht: „Meine Bilder sind keine Vehikel, um mein Ego darzustellen, sondern mir geht es eher darum, Strategien zu entwickeln, wie man etwa die Energie von Klangfeldern, wie sie beispielsweise Sonic Youth herstellen, mit einem Motivkosmos kombinieren kann.“

Seine Arbeiten oszillieren in der farblichen Anmutung zwischen kühl und warm, man könnte auch sagen zwischen cool und hot: Bilder, die in hauntologischer Selbstvergessenheit Schatten- und Traumwelten aufschließen und in dialektischen Sinn- und Sinnlichkeitsverzweigungen von Intensitäten und ekstatischen Hypostasierungen des Seins erzählen. Und zwar durchaus und immer wieder mit Bezug zu den avantgardistischen Indierock-Produktionstechniken der achtziger und neunziger Jahre: So wie Sonic Youth mit ihren Gitarren umgingen und damit einen eigenen Sound kreierten, versucht Robert Muntean in seiner Ästhetik der Layerings einen individuellen Pinselduktus zu entwickeln: „Man weiß ja, dass Sonic Youth ursprünglich in der Band des Noise-Papstes Glenn Branca gespielt haben. Da wurde heftig mit Klang experimentiert; man probierte offene Gitarrenstimmungen aus, die sich nicht mehr direkt auf Akkordfolgen beziehen ließen. Dieses Losgelöste und Abgekoppelte, die neuartige Weise, wie man Gitarren verwenden kann, hat mich fasziniert. Und sofort stellte sich mir die Frage: wie kann man das in der Malerei verwenden? Wie kann man das übersetzen? Ich versuchte ein Äquivalent für dieses spezifische Verhältnis von Lärm, Noise, Dekonstruktion und Melodie zu finden, in dem aus Atonalität melodische Elemente entstehen konnten.“

Zwischen Identifizierbarkeit und Verkennen

Because the Night zeigt das voll entfaltete malerische Pluriversum des Robert Muntean zwischen Identifizierbarkeit und Verkennen. Es ist ein Spiel mit farblichen Graduierungen, die, ohne sich psychologisch in die Figuren einzulesen, Gefühlsexaltationen in koloristische Valeursübersetzen und in Formenkonfigurationen, die mal nachgerade archaisch-tribalistische Seinsmodi herbeihalluzinieren, um dann wiederum ins eher Signalhaft-Piktographische oder gar in eine Idylle mit pastelligen Tönen zu gleiten. Ein faszinierender Kosmos, aufgebaut wie ein gutes Plattenalbum mit Steigerungen und Peripetien, mit einem Moment der letzten Spannung und schließlich mit der Verweigerung des demiurgischen Prinzips einer finalen Entschlüsselung fundamentaler existentieller Fragestellungen.

Im Interview vergleicht der Künstler sein - buchstäblich - vielschichtiges Bild Storm mit den 20-minütigen Postrock-Epen der kanadische Band Godspeed You! Black Emperor, die, so Muntean, derart ausfransen “dass man sie als Ganzes gar nicht unmittelbar begreifen kann. Erst bei mehrmaligem Hören erschließt sich das dann Schicht um Schicht. Auch bei meinem Bild habe ich das Gefühl, dass sich alles auflöst, gewissermaßen in die Unendlichkeit taumelt.”

Dies kann man getrost als Deutungsparadigma für die gesamte Kunst von Robert Muntean einsetzen: Taumeln in die Unendlichkeit!

Andre Sider 2019, oil on paper on canvas, 80 × 70 cm